Osteoporose als Volkserkrankung zu selten diagnostiziert, dadurch zu wenig therapiert
Studiert man die aktuelle Datenlage zur Therapie und Diagnose der Osteoporose in Europa, ist man überrascht, wie mangelhaft die Wahrnehmung bezüglich der Osteoporose – einer der häufigsten Volkserkrankungen – ist.
Das geringe Bewusstsein für diese Erkrankung hat jedoch folgenschwere Auswirkungen: wiederholte Frakturen, vermehrte und längere Krankenhausaufenthalte, verminderte Lebensqualität, Pflegebedürftigkeit und, nicht zu vernachlässigen, immense Kosten für das Gesundheitssystem.
In Österreich sind ca. eine halbe Million Menschen von Osteoporose betroffen. Im internationalen Vergleich von 63 Ländern weist Österreich bei Frauen die dritthäufigste Inzidenz für altersabhängige Hüftfrakturen auf.
Trotzdem wird nur ein Bruchteil der Patienten mit manifester Osteoporose therapiert. In Österreich erhalten lediglich ca. 15% der Patienten mit einer Schenkelhals- oder Wirbelkörperfraktur 18 Monate nach Entlassung aus dem Krankenhaus eine spezifische Osteoporose-Therapie, obwohl bei den Betroffen ein sehr hohes Refrakturrisiko besteht. In diesen Fällen ist bezugnehmend auf die aktuellen Leitlinien (DVO, IOF) eine generelle Indikation einer Osteoporose-Therapie gegeben. In Abhängigkeit von der klinischen Gesamtsituation kann in ebendiesen Fällen auf eine Knochendichtemessung verzichtet werden.
Auch europaweit zeigt sich eine unzureichende Versorgung. Nur durchschnittlich 25% der Betroffenen werden therapiert, wobei diese Behandlungslücke noch größer ist (ca. 94%), wenn die Diagnosestellung Osteoporose verabsäumt wurde. Die aktuellen Daten zeigen deutlich, wie wichtig es ist, die Osteoporose zu diagnostizieren und nicht nur als schwerwiegende Erkrankung wahrzunehmen, sondern auch adäquat zu therapieren.
Die aktuellen Empfehlungen der Osteoporose Gesellschaften zielen darauf ab, das Frakturrisiko zu senken („Treat-to-Target“). Je nach Frakturrisiko soll eine entsprechende, spezifische Osteoporose-Therapie eingeleitet werden. Dies sollte auch bei jenen Patienten erfolgen, die noch keine Fraktur erlitten haben, jedoch mit einem erhöhten Frakturrisiko behaftet sind. Durch die Therapie soll die Qualität des Knochens im Vorfeld verbessert werden, um mögliche zukünftige Fragilitätsfrakturen verhindern zu können.
Das Osteoporose-Management in den Empfehlungen hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert, z.B. bezüglich der Diagnose – weg von „man benötigt nur den T-Score <-2,5 der Knochendichtemessung“ hin zur Beurteilung des individuellen Frakturrisikos.
Für die Beurteilung der tatsächlichen Frakturgefahr stellen bekanntlich die durch die Knochendichtemessung erhobenen Schwellenwerte (BMD) nur einen Teilaspekt dar und reichen als alleinige Therapieindikation nicht aus, denn, wie wir wissen, treten etwa die Hälfte aller osteoporotischen Frakturen bereits bei einem osteopenischen T-Score auf.
Weit sinnvoller ist es, das Frakturrisiko mittels Frakturrisiko-Kalkulatoren einzuschätzen, um Risikopersonen frühzeitig zu identifizieren, damit bereits im Vorfeld eine spezifische Therapie eingeleitet werden kann.
Diesbezüglich sind Frakturrisiko-Rechner wie der FRAX und das Nomogramm des DVO hilfreich. Ein mittels FRAX-Rechner (IOF) kalkuliertes allgemeines 10-Jahres-Frakturrisiko von über 20% oder ein 10-Jahres-Hüftfrakturrisiko von über 5% werden dabei als sinnvolle Therapieschwellen diskutiert.
Auch das früher verwendete fixe Stufenschema in der Therapie ist nicht mehr zeitgerecht bzw. leitlinienkonform. Die Entscheidung, welches Medikament zum Einsatz kommt, soll sich an dem Frakturrisiko des Patienten orientieren, an dessen Bedürfnisse angepasst sein sowie das Wirkungsprinzip, den Wirkungseintritt und die Effektivität der Medikamente mitberücksichtigen.
Als Therapieoptionen gegen die Osteoporose stehen uns zwei Therapieprinzipien zur Verfügung. Die Gruppe der Antiresorptiva hemmen die Osteoklasten und somit den Knochenabbau, die knochenanabolen Medikamente stimulieren die Osteoblasten und führen dadurch zum Knochenaufbau. Damit senken beide Medikamentengruppen im Verlauf der Anwendung das Frakturrisiko, jedoch unterschiedlich schnell und unterschiedlich effektiv.
Aktuelle Leitlinien raten, dass Patienten mit sehr hohem Frakturrisiko, z.B. jene mit einer frischen Fragilitätsfraktur, so rasch wie möglich ein hocheffektives, schnell wirksames Medikament erhalten, um das imminente Frakturrisiko effizient zu senken. In diesen Fällen wird eine knochenanabole (Romosozumab oder Teriparatid), First-Line-Therapie empfohlen. Diese aktuellen Empfehlungen beruhen auf der Erkenntnis, dass einerseits das Risiko eines nachfolgenden Knochenbruchs unmittelbar nach einem Indexbruch am höchsten ist und anderseits die knochenanabole Therapie effektiver ist, wenn sie vor einer antiresorptiven Therapie eingesetzt wird.
In der Betreuung von Osteoporose-Patienten ist das Augenmerk auch auf die Adhärenz bzw. Persistenz zu richten, da in der Therapie oftmals eine niedrige Persistenzrate festzustellen ist. Die Ursache dafür sind oft unbegründete Ängste der Patienten betreffend mögliche Nebenwirkungen sowie eine geringe Wertschätzung der Wichtigkeit der Osteoporose-Medikamente seitens der Patienten.
Wissenswertes für die Praxis
- Es sollte frühzeitig auf die Knochen geachtet werden, damit eine langfristige Festigkeit gegenüber Stürzen gegeben ist und sie bei inadäquatem Trauma nicht brechen.
- Frakturrisiko-Rechner wie der FRAX und das Nomogramm des DVO helfen uns, frühzeitig Risikopatienten zu identifizieren, die von einer Therapie profitieren würden. Ein mittels FRAX-Rechner (IOF) kalkuliertes allgemeines 10-Jahres-Frakturrisiko von über 20% oder ein 10-Jahres-Hüftfrakturrisiko von über 5% werden dabei als sinnvolle Therapieschwellen diskutiert.
- Ist die Erkrankung jedoch schon manifest, d.h. besteht bereits eine osteoporotische Fraktur, ist eine konsequente effiziente Behandlung zur Vermeidung von erneuten Frakturen notwendig; auf eine Knochendichtemessung kann in diesem Fall oftmals verzichtet werden.